Bindungsangst: fürchtest du dich vor der Liebe? Find es heraus

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Eigentlich wollte ich doch nur einen Menschen, mit dem ich glücklich werde. Mein Leben teilen kann, den ich liebe, der mich liebt, der mich anlächelt, wenn ich morgens wach werde.

Die große Liebe?

War mir egal, Hauptsache einfach Liebe.

Doch die Realität war: das jagte mir eine Heidenangst ein. Ich litt unter Bindungsangst.

Leider war mir das damals nicht bewusst, erst heute sehe ich das Muster:

sobald eine Beziehung enger, intimer, verbindlicher wurde, brauchte ich unbedingt Freiheit und sabotierte die Beziehung zum Beispiel durch Fremdgehen.

Später in meinem Leben drehte sich das Muster:

ich liebte aus der Ferne, das war sicherer für mich, als einen Alltag zu leben.

Es ist ein ständiges Abwägen von Nähe und Distanz, vom es-nimmt-mir-die-Luft-zum-Atmen und ich-fühle-mich-einsam-und-ungeliebt.

Zwischen ersticken und alleinsein gab es lange nichts für mich dazwischen.

Dir kommt das bekannt vor?

Dann lies weiter, denn vielleicht leidest du auch unter Bindungsangst und schneidest dich selbst von glücklichen Beziehungen ab.

Definition: was ist überhaupt Bindungsangst?

“Die Angst eines Menschen, sich auf eine tiefe und exklusive Liebesbeziehung einzulassen.”
Stefanie Stahl

Es ist ganz normal, dass es in Beziehungen Probleme gibt. Wir alle – ja auch du – hat sich schon mal gefragt, ob der Mensch an unserer Seite wirklich zu uns passt oder ob du jemals “deinen Herzensmenschen” finden wirst.

Bei Beziehungsangst hältst du die Menschen bereits auf Abstand, bevor die Beziehung richtig begonnen hat. Was zu einem ernsthaften Problem für beide Seiten wird.

Was sind die Ursachen für Bindungsangst?

Häufig liegt der Ursprung von Bindungsangst in der Kindheit, wo du zum allerersten Mal Bindungen eingehst.

Diese erste Bindung ist in den meisten Fällen die zu unseren Eltern. Vor allem die Bindung zu unserer Mutter ist besonders stark. Deshalb liegt hier oft der Ursprung einer Bindungsangst.

Wirst du als Kind kühl und abweisend behandelt, bekommst du schnell das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Dieses Gefühl verfolgt dich später, wenn du erwachsen bist und Beziehungen eingehst.

Erwarten Eltern zu viel von dir als Kind, könnte sich das bei dir zeigen, dass du immer perfekt sein musst. Vielleicht hindert dich das daran, zukünftig große Verantwortungen zu übernehmen oder dich in Beziehungen sicher zu fühlen.

Wurdest du über längere Zeit von deine geliebten Menschen in unserer Kindheit getrennt? Dann befürchtest du unbewusst, geliebte Menschen immer wieder oder schnell wieder zu verlieren. Um dich vor diesem Schmerz zu schützen, lässt du tiefergehenden Beziehungen gar nicht erst zu.

Weitere typische Ursachen von Bindungsstörungen könnten sein:

  1. allgemein negative Erfahrungen auch in freundschaftlichen Beziehungen, die in gefühlten Dramen oder Katastrophen endeten
  2. geringes Selbstvertrauen oder Selbstwertgefühl, du denkst, du bist nicht liebenswert und wunderst dich, wieso dich überhaupt jemand lieben sollte.
  3. wenn du seit Jahren einen sehr freien und unabhängigen Lebensstil führst, wird es schwer für dich, einen anderen Menschen näher an dich heranzulassen oder Kompromisse einzugehen.
  4. die Beziehung deiner Eltern war unharmonisch, von Streit geprägt oder kalt und gefühllos
  5. du wurdest schon sooo häufig zurückgewiesen, dass du gefühlt keine weitere Zurückweisung erträgst und es aufgegeben hast zu versuchen
  6. du wurdest vernachlässigt, vielleicht schon in der Kindheit. Alles andere war wichtiger als du.
  7. Peter Pan-Syndrom, hier fallen Menschen oft durch ihre besonders kindlichen Verhaltensweisen auf: sie übernehmen keine Verantwortung oder sind egoistisch. Häufig leiden Männer darunter.

4 falsche Vorstellungen über Bindungsangst

Falsche Vorstellungen über Bindungsangst führen zu Missverständnissen und Stigmatisierung. Hier sind vier der häufigsten falschen Vorstellungen:

  1. Bindungsangst ist eine Schwäche oder ein Charakterfehler
  2. Menschen mit Bindungsangst wollen keine Beziehung
  3. Bindungsangst ist eine vorübergehende Phase
  4. Bindungsangst betrifft nur Frauen

Bindungsangst ist eine reale Herausforderung ist, die viele Menschen tagtäglich durchleben. Sie brauchen unsere Empathie und Verständnis, um das Stigma zu reduzieren und sie besser zu unterstützen.

Ängste und sorgen bezogen auf aktuelle beziehung statista 2018
Quelle: Statista Wie oft haben Sie folgende Ängste und Sorgen bezogen auf ihre aktuelle Beziehung? 05/2018

Wie unterscheidet sich Bindungsangst von anderen psychischen Problemen?

Im Gegensatz zu Depressionen oder Angststörungen, die sich oft auf viele verschiedene Aspekte deines Lebens auswirken können, bezieht sich Bindungsangst spezifisch auf deine Fähigkeit, dich auf eine Beziehung einzulassen und Vertrauen aufzubauen.

Wie zum Beispiel in der ständigen Suche nach perfekten Partnern oder in der Flucht vor emotionaler Nähe.

Das Problem mit Bindungsangst ist:

du isolierst dich von deinen Mitmenschen und schneidest dich selbst vor potenziell erfüllenden Beziehungen ab.

So wird es schwierig eine langfristige, intime Beziehung aufzubauen und dich in solchen Beziehungen sicher zu fühlen – obwohl es genau DAS ist, was du dir wirklich wünscht.

Auswirkungen von Bindungsangst auf persönliche Beziehungen

Wenn du Schwierigkeiten damit hast, eine harmonische und glückliche Beziehung zu führen, dann wirst du unzufrieden, erklärt Antje Busbach. Auch wenn du unterbewusst womöglich sogar den Wunsch danach hast, eine stabile Beziehung zu führen, suchst du immer wieder Gründe, die gegen dieses Bedürfnis sprechen und dich davon abhalten, dich einzulassen. Das führt dann dazu, dass du dich einsam fühlst.

Das Gefühl von Einsamkeit entsteht dadurch, dass du keine engeren und längerfristigen Beziehungen hast und eher oberflächliche Bekanntschaften pflegst.

“Ängstlich-Gebundene versuchen, emotionale Bindung über Sexualität herzustellen.”
Guy Bodenmann, Professor für Klinische Psychologie an der Universität Zürich

Das Gefühl, dass du keinen sicheren Hafen, eine Anlegestelle hast, kann sehr belastend sein. Auf der anderen Seite kannst du dich auch alleine fühlen, wenn du eine Beziehung führst. Hier bezieht sich die Emotion dann eher darauf, dass du dich nicht so richtig auf die Partnerin oder den Partner einlassen kannst und du dich nicht rundum wohl fühlst.

Dann kommen Gefühle, wie Wut, Angst oder Trauer in dir hoch. Wut, weil du den „Fehler“ bei dir selbst suchst, ihn nicht findest oder nachvollziehen kannst.

Da du erst einmal keine Lösung findest, machen sich Trauer und Angst in dir breit. Die Trauer darüber, dass du dir eine Beziehung wünschst. Die Angst kommt dadurch zustande, dass du befürchtest, dass du niemals eine glückliche Beziehung führen wirst.

Emotionale und psychologische Konsequenzen von Bindungsangst

Eigentlich wünscht sich ein Mensch Nähe. Ein Mensch mit Bindungsangst sagt aber weder JA noch eindeutig NEIN zu anderen Menschen. Daher geht er Beziehungen ein – z.B. als lockere Affäre, Fernbeziehung oder sogar in Form einer Ehe, mit besonderen Arrangements.

Dieser Mensch hat auch Probleme damit Erwartungen zu erfüllen, planbar oder vorhersehbar zu sein und zu bleiben. Zuverlässig sein, pünktlich zurückrufen, Pläne für die Zukunft schmieden.

Erwartungen, fühlen sich für ihn wie Einengung und Freiheitsentzug an. Erfüllt er die Erwartungen nicht, ist der Partner eventuell enttäuscht, könnte sich abwenden und das Trauma aus seiner Kindheit wiederholt sich. So zieht er sich zurück, um nicht (wieder) verletzt zu werden und wendet sich der Arbeit zu, will weder küssen, noch mit dem Partner intim werden und macht dicht.

Ein Mensch mit Bindungsangst kann schöne Momente mit dem Partner, nicht uneingeschränkt schön finden, da ihm dadurch bewusst wird, wieviel ihm der andere Mensch bedeutet und er abhängig von ihm ist. Das will er auf jeden Fall vermeiden – und stößt den Partner regelrecht von sich.

Dieser verzweifelt schließlich an dem Wechselspiel zwischen Nähe und Distanz und fragt sich, was er falsch gemacht hat. Durch das ständige Hin und Her kann der Partner sich nie sicher sein, ob der Mensch mit Bindungsangst ihn liebt. Diese Angst aber mündet in einen Teufelskreis. Sie laufen dem, der Angst vor Nähe hat, hinterher. Dieser fühlt sich bedrängt, läuft immer weiter weg oder trennt sich irgendwann. Auf beiden Seiten kann das Ganze bis in einer Depression enden.

Ghosting: das moderne radikalste Symptom für Bindungsangst

Falls dir der Begriff unbekannt ist: eine Person bricht plötzlich den Kontakt mit dir ab, ohne Erklärung. Das bezieht sich auch auf Freundschaften.

Der Mensch verschwindet einfach von der Bildfläche und ist plötzlich nicht mehr erreichbar. Wie auch immer du versuchst Kontakt herzustellen: WhatsApp, Anrufe oder Emails laufen ins Leere. Deine Fragen nach einem Warum? bleiben unbeantwortet.

11 Anzeichen für Bindungsangst

  1. Es fällt dir schwer über eigene Gefühle zu sprechen
  2. Du hattest noch keine längeren Beziehungen
  3. Du gehst nicht „all in“, sonderst warst Distanz
  4. Du schmiedest nicht gerne Pläne für die gemeinsame Zukunft
  5. Auch körperlich hältst du lieber Abstand
  6. Affären, One-Night-Stands und andere kurzfristige Bekanntschaften sind für dich normal
  7. Du neigst zu Schwärmereien an prominenten Menschen, die du niemals kennenlernen wirst
  8. Eine Partnerschaft auf Augenhöhe und gemeinsamen Hobbies kommt für dich nicht in Frage
  9. Wünschen und Erwartungen deines Partners erzeugen Widerstand und ein Gefühl von Druck in dir
  10. Du hast häufig das Gefühl nicht gut genug zu sein
  11. Du hast Angst vor dem Scheitern und gehst diesem Wagnis aus dem Weg

Wenn mehrere Punkte auf dich und deinen Umgang mit Beziehungen zutreffen, könnte es sein, dass du Bindungsangst in dir trägst. Damit solltest du dich beschäftigen.

Lerne

  • Vertrauen zu anderen Menschen aufzubauen,
  • Gefühle adäquat zu äußern,
  • Grenzen zu setzen und
  • dich selbst anzunehmen.

Wenn du der Meinung bist, diesen Weg nicht alleine gehen zu können, suche dir Unterstützung, rät Antje Busbach.

Was hilft gegen Bindungsstörungen?

Bitte versteh, dass Bindungsangst nicht irgendein Spleen oder eine Macke eines besonders freiheitsliebenden Menschen ist, sondern eine Angststörung.

Führe dir vor Augen, dass es völlig okay ist, wenn du eine solche Angst in dir trägst. Du setzt dich mit dir und deiner Situation auseinander und möchtest jetzt die Situation selbst in die Hand nehmen und etwas ändern. Das zeugt von innerer Stärke und dem Willen, dass du endlich eine glückliche Beziehung führen möchtest. Dazu meinen Glückwunsch und meine Hochachtung!

5 Strategien zur Bewältigung von Bindungsangst

  1. Finde die Ursachen hinter der Bindungsangst. Den Auslöser in deiner Vergangenheit. Wann hast du diese Angst das erste Mal gefühlt?
  2. Hier kannst du dann ansetzen und die emotionale Verletzung auflösen. Ggfs. ist es ratsam bei diesem Schritt begleitet zu werden, z.B. von einem Coach.
  3. Du schaust dir deine Glaubenssätze rund um dich, deine Einstellung zu Partnerschaft und Beziehungen an und nimmst eine neue Haltung zu dem Thema ein.
  4. Du definierst eigene Wünsche, Bedürfnisse, Ziele und Werte für deine Beziehungen
  5. Du lernst mit deinem Lieblingsmenschen auf Augenhöhe zu kommunizieren

Gibt es eine Therapie gegen Bindungsangst?

Ja, du kannst dir auch professionelle Hilfe bei Psychotherapeuten oder Paartherapeuten holen. In der Psychotherapie liegt der Fokus auf dir als Mensch, der Bindungsangst hat. Hier konzentriert ihr euch auf vor allem die Ursachen und Auslöser der Bindungsangst.

Die Paartherapie dient vor allem euch beiden als Paar, sich besser in den anderen Menschen hineinzuversetzen, wieder neu kennenzulernen und eine Basis für eine gemeinsame, glückliche Zukunft zu legen.

Wie viele Sitzungen du insgesamt brauchst, kann niemand vorab pauschal sagen.

Fazit

Bitte denke daran, dass es Wege raus aus der Bindungsangst gibt. Geh den ersten Schritt, um deinen Weg zu einem erfüllten, glücklichen Leben zu ebnen.

Warst du auch schon mal mit einem Menschen zusammen, der Angst vor der Liebe hatte? Was hat euch geholfen? Schreib es uns in die Kommentare.

2 Kommentare zu „Bindungsangst: fürchtest du dich vor der Liebe? Find es heraus“

  1. Ein wertvoller Artikel. Ich glaube, dass viele Menschen unter Bindungsangst leiden und es selbst gar nicht wissen. Sie verzweifeln an ihren Beziehungen und merken gar nicht, dass sie unbewusst genau dieses Nähe-Distanz-Verhältnis wählen, auch wenn der bewusste Verstand etwas anderes sagt. Umso wertvoller empfinde ich euren Artikel, denn erst Bewusstheit schafft Möglichkeiten zur Veränderung.

    1. Hallo Sandra,

      danke schön 🙏
      Ja leider, das haben wir auch festgestellt und deshalb greifen wir es in diesem Blogartikel auf.
      Und ich habe auch schon private Nachrichten erhalten, dass Frauen sich in unserem Artikel wieder erkannt haben und jetzt endlich darum wissen – erst dann kannst du es ja angehen.

      Herzliche Grüße

      Jay

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